Ich nahm es leicht, auch wenn es härter kam
Es war ein Setzen, ein Setzen neuer Ziele
Der Kölnpfad 2018 sollte es also werden. Der erste Lauf wo der werte Herr auf‘ dem Siegerpotestchen stehen durfte. Und Nein, es war kein Altersklassensieg mit nur einem Altersklassenteilnehmer, es war direkt „1. Platz Herren“, 3. Gesamtplatzierung.
Keiner wusste wie’s geschah,
Plötzlich war der Alex da.
Über Nacht kam der Erfolg,
Der liebe Gott hat’s nicht gewollt.
Der Weg dahin war 170km lang, holprig und sogar blutig.
Der Kölnpfad stand in diesem Jahr eigentlich überhaupt nicht auf dem Programm aber als im April ganz plötzlich der WiBoLT abgesagt wurde, öffneten die Kölnpfad-Organisatoren Thorsten Klenke und Tom Eller ganz spontan nochmals die Anmeldung für den schon lange voll besetzten Kölnpfad und boten den WiBoLT-Teilnehmern, die nun ohne Lauf dastanden, an, beim Kölnpfad rund um Köln zu laufen. Dieses Angebot nahm ich dankend an und hatte nun wieder einen Lauf für den Sommeranfang.
Die Woche vor dem Kölnpfad weilte ich beruflich in Norddänemark und absolvierte dort jeden Abend nochmal 24km-Läufe am Strand. Bei der Besichtigung der alten WKII Strandbunker stiess ich mir ziemlich heftig und blutig die Birne und das Thema Stirnlampe war ab dort ein ziemlich schmerzhaftes. Einen Tag später kam dann noch eine heftige Rippenprellung hinzu. Nicht schön, wenn tiefes Einatmen nur noch unter Schmerzen möglich ist. Wenn man dann noch ein paar Tage später 171km laufen will, ist das ziemlich frustrierend. Aber man hat ja 32 Std. Zeit um Köln zu laufen, und das sollte auch mit wenig Luft im Kessel irgendwie funktionieren. Und außerdem war der Kölnpfad einer meiner Spendenläufe die ich für das Kinderhaus Nesthäkchen laufe, und da muss schon bisschen mehr kommen als so ein wenig Kopfweh und Rippen-Aua. Es kam dann auch leider bisschen mehr.
So ging es dann Freitag Abends nach Köln in den Thuleweg wo Thorsten und Tom mit ihren Helfern ein geiles Trailrunning-Familienfest auf die Beine stellten. Startnummernausgabe, Tracking-Transponder befestigen und hier und da ein paar Worte wechseln, ließen die Zeit vor dem Start dahinfliegen.
Pünktlich um Mitternacht ging es los und dank den angenehmen Temperaturen konnte ich auch mal „in Kurz“ starten ohne mir einen Ast abzufrieren. Diese Eigenart von mir sollte am nächsten Tag noch eine wichtige Rolle spielen. Von den 64 gemeldeten Läufern gingen 50 an den Start in die kurze Nacht. Relativ schnell lag ich in Führung. Auch mit dem Wissen das ich mich wahrscheinlich zu schnell verausgabe, kann ich nicht so langsam loslaufen und laufe deswegen bei langen Ultras am Anfang immer vorne im Feld mit werde dann aber später vom Läuferfeld wieder eingeholt. Bei Kälte geschieht dies relativ schnell, je wärmer es wird umso länger kann ich schnell laufen. Schade das es bei uns nicht diese subtropische Luftfeuchtigkeit wie in Südotasien hat. 45°C mit 95% Feuchte sind mir am liebsten. 🙂
Wir waren wilde Jungs, wir hatten viel zu lernen,
oft fiel man auf die Schnauze bei dem Griff zu den Sternen.
Nach 23km hatte ich einen Sekunden-Blackout und stolperte auf glattem Asphalt über meine eigenen Füße und landete mit 11km/h ungebremst mit dem Gesicht voraus auf der Strasse. Die Sterne vor den Augen verschwanden und dafür kam das Blut und das Wissen, dass jetzt gerade ganz gewaltig was schief läuft. Ok! Jetzt wieder ganz rationell denken.
Zähne noch all vorhanden? Check!
Zähne wackeln nicht? Check!
Wichtige Organe (Beine) unbeschädigt? Check!
Stirnlampe funktioniert noch? Check!
Also weiter!
Zumindest bis zum nächsten VP muss ich sowieso. Was soll ich auch sonst machen? Kann ja nicht mitten im Wald liegenbleiben und auf andere Läufer warten und denen dann ihr Rennen kaputt machen mit meinem Gejammer und wegen meiner Dämlichkeit.
Nach paar Minuten langsamen Gehen und vielen vielen blutigen Taschentüchern hörte die Blutung langsam auf, und da die Beine wirklich überhaupt nix abbekommen haben ging es im langsamen Laufschritt weiter. Die linke Schulter bekam auch einen heftigen Schlag von der Strasse ab und der Laufrucksack drückte nun genau auf diese Stelle aber solche Schmerzen sind wie Blasen an den Füßen und das kann man ausblenden. Kurze Zeit später wurde ich dann erwarteterweise von den ersten Läufern überholt die mir nach kurzem Körpercheck allerbeste Gesundheit bescheinigten. 🙂
Wir leben Stunden in Sekunden
Die Angst ist uns vertraut
Wir drehen einsam unsere Runden
Die Nacht ist unsere Braut
Am VP2 überdachte ich nochmals meine Situation und beschloss, nochmal 15km bis zum nächsten VP weiterzulaufen und einfach auf den Körper zu hören.
Die Nacht verschwand, der Morgen kam und es ging dann bei schönstem Wetter und ständig steigenden Temperaturen immer weiter. Der Gedanke, aus dem Rennen auszusteigen, war schon lange verflogen und ich hatte langsam wieder Spass am Lauf gefunden. Ab ca. 9:30 Uhr stieß ich auf die Kölnpfad-Wanderer die in den 2 Bewerben „50km & 100km Ultrawandern“ unterwegs waren. Als es über die Rodenkirchener Brücke wieder zurück auf die rechte Rheinseite ging, informierte ich mal meinen Lieben zuhause über meinen aktuellen Zustand und ohne einen Hinweis von der späteren zweit-platzierten Kerstin Conrad, die mich dort endgültig überholte, hätte ich den einzigartigen Blick auf Köln und den Dom verpasst.
Nach VP7 wurden dann auch bei mir langsam die Beine schwer und ab VP8 bei ca.110km ging es dann erstmal nur marschierend weiter. Der Streckenabschnitt dort zwischen VP8&9, bei Köln Wahn, war schon ein hartes Stück und wird nicht ohne Grund auch die „Todeszone“ genannt. Über etliche Kilometer ohne Baum, Strauch und deren Schatten ging es an Getreidefeldern vorbei, die die Gluthitze des frühen Nachmittags nochmals verstärkten. Das war kein einfaches Stück und ich kann mir vorstellen, das dort einige das Rennen beendeten. Während dieser Zeit kam aber nun mein Vorteil zum tragen dass ich erst ab 25°C auftaue und meine Wohlfühltemperatur dort liegt, wo der Teufel zu schwitzen anfängt. So machte mir dieses laue Frühlingslüftchen überhaupt nichts aus, und die Trostlosigkeit der hitzeflimmernden Stoppelfelder in der Wahner Heide verdrängte ich mit Gedanken an zurückliegende Läufe durch eine viel trostlosere Gobiwüste. Wenn man Ultras in der inneren Mongolei laufen kann, kann man auch durch Köln-Porz laufen. 🙂
Kurz hinter den Getreidefeldern in Köln-Porz lief ich dann auf Frank und Christa, zwei passionierte Ultrawanderer, auf. Die zwei hatten immer noch einen zügigen Wanderschnitt mit 9er Pace. Und da ich beim Gehen immer Gefahr laufe, immer langsamer zu werden, schloss ich mich den Beiden an und gemeinsam gingen wir dann die lange Umleitung um den Königsforst an. Der Königsforst wurde leider nicht für die Veranstaltung freigegeben und so mussten alle Läufer und Wanderer an einer viel befahrenen Strasse um den Forst herumlaufen. Bei VP10 in Bensberg verlor ich die Beiden wieder aus den Augen und alleine ging es weiter Richtung Bergisch-Gladbach.
Durch das stundenlange Marschieren erholten sich aber auch meine Beine wieder etwas und ich begann auch wieder etwas zu laufen. Irgendwann dann kam mir der Gedanke dass ich während der ganzen Zeit gar nicht überholt wurde. Durch die VPs wusste ich, das ich auf dem gesamtfünften Platz und zweiter Mann war, bemaß dieser Aussage aber während der letzten Stunden überhaupt keine Bedeutung bei. Nun öffnete ich auf dem Handy die Seite mit dem Live-Tracking und merkte, das der schnellste Mann immer langsamer wurde. Aber ebenso sah ich auch das ich einen direkten Verfolger nur etwa 2km hinter mir hatte. Der Puls wurde schneller und das Grübeln ging los.
Das Leben ist ein Spiel
Du kannst gewinnen und verlier’n
Willst Du nur im Schatten steh’n
Und nie etwas riskier’n
Hast du wirklich eine reelle Chance auf den 1. Platz der Herren?
Ja!
Das wird schmerzhaft, brutal und wahnsinnig werden, bist du bereit dafür?
Nein!
Wirklich nicht?
Hmmm, weiss nicht, wird zuviel wehtun!
Wirklich nicht?
Hmmm, wär schon irgendwie cool, aber…!
Wirklich nicht?
Scheiss drauf, die Chance ist da, ich werd schon nicht verrecken und Grenzen sind da um verschoben zu werden. Also renn!!!
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt,
in schlechten Zeiten bekommt man nichts geschenkt.
Egal, was man erwartet, man bekommt, was man verdient,
das sind Lieder, die das Leben schreibt, Schicksalsmelodien.
Und dann lief ich wieder. Nach 145km musste ich ja nur noch 25km hinter mich bringen. Am VP11 bei der „Laufbrigade Oberberg“ wär ich gerne länger geblieben. Coole Truppe mit geiler Musik, Grillbratwurst und Massageliege. Die hätten mir wahrscheinlich auch noch ne französische Zwiebelsuppe gemacht, aber ich musste weiter. Zügig! Der Abstand zum erstplatzierten Mann, der an dritter Position lag, wurde ständig kleiner und plötzlich war ich vorbei. Meinen Verfolger konnte ich währenddessen auf Distanz halten und den Abstand sogar noch etwas vergrößern. 10km vor dem Ziel brach dann die Nacht wieder heran und ich nahm nach einem weiteren Blick auf das Live-Tracking das Tempo raus um nicht auf den letzten Metern noch (wieder) zu stolpern. 3km vor dem Ziel war dann klar das mich niemand mehr einholen konnte wenn ich nicht stehen bleiben würde und ich wechselte wieder ins Marschieren.
Laß uns fliegen schöne Sehnsucht
Näher an unsere Träume
Laß uns wieder atmen
Laß uns wieder seh’n
Entfache dieses Feuer
In mir dieses Feuer
Und nichts als dieser Traum wird wahr
Ein Traum so fern und doch so nah
In diesen letzten 20 Minuten lies ich den Tag nochmal ganz alleine für mich Revue passieren. Und dann, je näher ich dem Ziel kam, kamen sie wieder; Die Schmerzen auf dem Kopf durch die Stirnlampe, die Schmerzen in den Rippen bei jedem Atemzug, an der Schulter bei jedem Schritt durch den Laufrucksack und auch die blutverkrustete Wunde an der Lippe und am Kinn pochte wieder schmerzhaft. Aber da war es zu spät für Dämonen und Schweinehunde. Ich war am Ziel, ich war IM Ziel!
1. Platz Herren, 3. Platz Gesamt. 23H:34M
Ich will lieber stehend sterben
Als kniend leben
Lieber tausend Qualen leiden
Als einmal aufzugeben
Nach dem Durchlaufen durch den Zielbogen stand ich einige Sekunden völlig planlos herum bevor dann Tom Eller kam und mir gratulierte. An seiner Schulter konnte ich mich dann ausweinen. Vor Freude, vor Schmerz, vor Emotion? Ich weiß es nicht.
Meinen Plan, direkt nach Zielankunft heimzufahren, konnte ich nun vergessen. Das ich bis zum nächsten Mittag zur Siegerehrung bleib, war Ehrensache.
Also ging es für ein paar Stunden in den Schlafsack im Auto und morgens gab es dann ein leckeres kölsches Frühstück. Um 12 Uhr war Siegerehrung und die sechs Glücklichen, die mit der Gluthitze des Samstags am besten zurecht kamen, konnten ihre Kölnpfad-Siegerkacheln in Empfang nehmen.
Und hier ist es nun wieder. Das Dankes-Gedudel, was aber ganz sicher aus tiefstem Herzen kommt.
Mein erster Dank geht an Thorsten Klenke und Tom Eller, die zwei Organisatoren des Kölnpfad-Events. Wahnsinn, was ihr zwei da an Mensch und Material mobilisiert und dort rund um Köln bewegt bekommt. Der Tag wird kommen, da frisst euch auch die Bergisch-Gladbacher Stadtverwaltung aus den Händen 🙂 .
Einen großen Dank natürlich auch an alle Helfer an den VPs und im Hintergrund. Ohne so viele Freiwillige Helfer, die mit Leib und Seele der Sache dienen, wäre so ein Event gar nicht möglich. Dank euch brauchen wir Läufer nix zu machen außer zu laufen.
Und dann geht mein Dank natürlich auch an alle Mitläufer, Mitstreiter und Mitleidenden. Hat Spaß gemacht, zusammen mit so tollen Menschen ein Ründchen um Köln zu drehen. Sollten wir nächstes Jahr mal wiederholen. 😉
Und zu guter Letzt danke ich auch noch den vielen Freunden und Bekannten bei Facebook, die mich bei meinen Updates während des Rennens mit ihren „Likes“ und Kommentaren ständig motivierten weiterzulaufen und nicht aufzugeben.
v.l.n.r.: Thorsten Klenke, Andreas Geyer, Jannet Lange, Alex Holl, Claudia Krantz, Matthias Gröling, Kerstin Conrad, Tom Eller
— Ultra-Trailrunning-Werbung — 🙂 🙂 🙂
Einige der Kölnpfad-Teilnehmer sehe ich ja am 21.07. beim 1. Ultratrail Grauer Kopf wieder. Wenn jemand, der das hier liesst, am 21.07. noch nix vorhat, der/die ist gerne eingeladen, ein 66km Ründchen mit Freunden im Taunus zu laufen.